52 weeks of music – The boys of summer von Don Henley

Jede Woche gibt es hier ein neues Lied, von mir ausgesucht und von meinem Schatz in einem Gastbeitrag beschrieben/besprochen. Daraus entstehen dann 52 Weeks of Music. Die gesamte Playlist gibt es schon auf Spotify (52 weeks of music). Alle Beiträge hier im Blog findet ihr unter 52weeksofmusic.

Woche 25: Don Henley, The Boys of Summer

The boys of summer bei Spotify

I feel it in the air,
The summer’s out of reach.

Lieber Don Henley,

ich sitze auf der Dachterrasse, es ist 22 Uhr und noch hell, die Lufttemperatur liegt bei 24 Grad und vor mir steht ein Schirmchengetränk. Welcher Sommer soll „unerreichbar“ sein?

„The boys of summer“ ist ein „wehmütiger Blick über die Schulter“ (Rolling Stone) zurück auf eine vergangene Sommerliebschaft. Auf den ersten Blick, beim ersten Hören. [Sind der erste Blick und das erste Hören dasselbe? Auch wenn es um fremdsprachige Texte geht und wir froh waren, wenn wir nach dem ersten Hören den Refrain wenigstens lautmalerisch erfasst hatten?] Mit ein wenig Gespür für Tiefgang und nach einer relativ kurzen Google-Abfrage kommt man recht fix darauf, worum es eigentlich geht: Um das Vergehen der Jugend, das Älterwerden und das Hinterfragen der Vergangenheit. Don Henley, der bei dem Erscheinen des Songs 1984 auch schon stramm auf die 40 zuging, setze damit den stimmungsmäßigen Grundton eines „romantischen Weltschmerzes“ (derselbe Artikel im Rolling Stone, s. oben). Da kann man mitgehen und so ein bisschen sentimental werden, wenn man selbst ein gewisses Alter erreicht hat und z.B. über Lieder aus der eigenen Jugend sinniert oder über Musiker, die man selbst so ungefähr als einziger nicht kennt – aber irgendwann ist auch mal gut.

Na klar sind die Sommer vorbei, die wir zum größten Teil in öffentlichen Schwimmbädern verbrachten. Damals, als einstellige Lichtschutzfaktoren noch ausreichten. Als wir uns entscheiden mussten zwischen Eis und Limo, weil das Geld für die viel zu salzige Pommes draufgegangen war, und wir den Kompromiss „Wassereis“ eingingen. Und als wir völlig unterkühlt aus dem Wasser kamen und uns auf die glühend heißen Fließen in die Sonne legten, um den perfekten Moment abzuwarten, in dem Körper- und Fließentemperatur etwa gleich hoch waren. Ja, diese Sommer sind vorbei.

I can see you,
Your brown skin shining in the sun.

Übrigens sind auch die Sommer vorbei, in denen alle von der echten Sonne braun wurden und noch keine Angst davor hatten.  Und natürlich auch die, in der wir als „Jeunesse Dorée“ in großen Gruppen mit all den anderen im Gras saßen und lagen, alle genauso schön wie komplexbeladen, schlaksig und hibbelig und mit Hormonen voll bis Unterkante Oberlippe. Und so unschuldig, dass man es mit einem Blick zurück gar nicht erfassen kann.

Dafür haben wir heute den Sommer, in dem wir uns nicht mehr zwischen Eis und Limo entscheiden müssen. Im Zweifel könnten wir uns heute beides leisten und im übrigen haben wir die fettige Pommes vorher weggelassen oder durch Quinoa-Sushi ersetzt, das macht weniger Durst und für den haben wir ja das Schirmchengetränk. Und die meiste Zeit sind wir auch nicht mehr im städtischen Freibad, sondern an einem See und da haben wir eh die Kühltruhe dabei.

Zum Glück hängen wir auch nicht mehr in Gruppen kichernder Teenager rum, sondern haben vielleicht über den Kindergarten eine andere Familie, vorzugsweise mit einer ähnlichen Anzahl an Kindern kennengelernt, mit der man eine solide Wagenburg am Strand errichtet und darin gepflegte Gespräche beim mitgebrachten Sancerre (Kühltruhe!) führen kann.

Und im übrigen ist jeder neue Sommer der Sommer, in dem wir nicht ins Bett müssen, wenn’s draußen noch hell ist (auch wenn wir es gern ab und an mal machen würden). Und wir haben Aufsatzrasenmäher, Gasgrills mit 4 qm Brutzelfläche, Paellapfannen für Villarriba und Villabajo, Ahnung von Sommerweinen und wo man sie in Rheinhessen beziehen kann, Spotify-Playlisten für laue Sommernächte und Dachterrassen.

Out on the road today I saw a Deadhead sticker on a Cadillac.

Don Henley beklagt mit dieser Zeile den „Ausverkauf seiner Generation“ und erklärte dem NME 1985: „I was driving down the San Diego Freeway and got passed by a $21,000 Cadillac Seville, the status symbol of the Right-wing upper-middle-class American bourgeoisie – all the guys with the blue blazers with the crests and the grey pants – and there was this Grateful Dead ‚Deadhead‘ bumper sticker on it!“ Krass! Ein Auto, das als Statussymbol gilt und für $21,000 zu haben ist. Da haben sich die Zeiten wohl doch ziemlich geändert.

After the boys of summer have gone.

Ach, kommt, wir waren doch selbst die „Boys of Summer“. Mindestens für die Sommerferien. In den Schwimmbädern und Zeltlagern und englischen Küstenstädtchen dieser Welt (Sprachreisen!). Und jeder von uns kann sich an irgendjemanden mit Sonnenbrille und äußerst attraktivem Äußeren und dem ganzen Drumherum erinnern. Und solange die Erinnerung da ist und wir bei dem Song die Sonnenbrille aufziehen und das Autofenster runterdrehen, auch wenn es November ist und uns der Eisregen querkommt, solange sind die „Boys of Summer“ noch da und kein Sommer ist unerreichbar.

Weil Sommer auch heute noch sich so anfühlen können, als würden sie für immer andauern, und weil es immer noch um die „best days of my life“ geht, ist die unbedingte Hörempfehlung zwingend Summer of 69. Laut machen!

Text von The boys of summer zum Nachlesen

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